Der Satz von Elisabeth Vigée-Le Brun, die bevorzugteste Porträtmalerin von Marie-Antoinette, ist bekannt: „Les femmes régnaient alors, la Révolution les a détrônées“ (Da die Frauen an der Macht waren, hat die Revolution sie entthront). Ab 1793/1794 werden die Künstler aufgefordert, die neue von der Macht auferlegte sittliche Ordnung mit zu verbreiten. Die Frau sollte sich erneut ausschließlich auf ihre Mutterrolle konzentrieren, ein Diskurs, den Napoleon im Kaiserreich nur zu gerne wieder aufnahm. Dennoch schafft Marguerite Gérard nach Ende des Direktoriums äußerst gewagte Gemälde, in denen sie eine freiheitsliebende Pariserin inszeniert, dazu entschlossen, nach ihren eigenen Regeln zu leben. Die Künstlerin trägt nicht nur zur Entpolitisierung des Diskurs über die Mutterschaft bei, sondern auch zur Erforschung der Privatsphäre der Frauen, ein Kapitel, über das lange geschwiegen wurde.
Carole Blumenfeld, promovierte Kunsthistorikerin und früheres Mitglied der Académie de France in Rom, ist wissenschaftliche Beauftragte am Palais Fesch – Museum der Schönen Künste in Ajaccio (Korsika). Sie war bereits mehrmals Kommissarin von Ausstellungen über Genremaler vom Ende des 18. und von Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie präsentiert gegenwärtig im Jean-Honoré Fragonard-Museum in Grasse „Rom – Athen, die zwei Gesichter der Frau während der Französischen Revolution“, eine Ausstellung über die Repräsentation der Frau durch Künstler am Ende des 18. Jahrhunderts, wo jede athenische oder römische Heldin eine bestimmte Vision der französischen Frau verkörpert.
Sie hat zahlreiche Bücher über die Französische Kunst im 18. Jahrhundert neu herausgegeben, vor allem über die Phantasiefiguren von Fragonard: Une facétie de Fragonard, Les Révélations d’un dessin retrouvé (2013).
Ihre Monografie über Marguerite Gérard ist im Januar 2019 im Verlag Editions Gourcuff erschienen.